Wissen, wie der Gegner tickt - Zachary Elwoods Handbuch der Poker-Tells
Geht es um verräterische Signale beim Poker – die sogenannten Tells, war
über dreißig Jahre lang ein Buch das Maß aller Dinge. Mike „Caros Book of Poker
Tells“ ist ein echter Klassiker und liegt auch in einer deutschen Ausgabe beim
Heel Verlag vor. Mehrere Generationen von Pokerspielern haben sich mit diesem
Buch das notwendige Rüstzeug für die Analyse ihrer Gegner am Pokertisch
verschafft.
Mehrfach versuchten Autoren, den etwas angestaubten Caro zu verbessern, doch
scheiterten diese Ansätze teils kläglich. Erst vergangenes Jahr gelang dem
amerikanischen Autor Zachary Elwood das Kunststück ein
wirklich neues – und ein wirklich gutes Buch über Tells zu schreiben.
In seinem Handbuch der Poker-Tells (Originaltitel: Reading Poker
Tells) wählt Elwood einen anderen Ansatz als die bisherigen Bücher. Für ihn
gibt es nicht die universelle Bedeutung einer Geste, einer Mimik oder eines
Spruchs. Vielmehr kommt es laut Elwood auf den situativen Zusammenhang an, und
genau darin, dass dies in den anderen Büchern nicht betont wird, sieht Elwood
deren grundlegendsten Fehler.
Um die situative Komponente klar herauszuarbeiten, unterscheidet Elwood
daher drei große Kategorien: Tells vor der Aktion, Tells während der
Aktion und Tells nach der Aktion.
Diese neue
Kategorisierung von Tells ist laut Elwood absolut notwendig, da identische
Verhaltensweisen zu unterschiedlichen Zeitpunkten einer Hand das komplette
Gegenteil bedeuten können.
Ein Beispiel hierfür wäre ein Spieler, der einen anstarrt. Tut er dies,
während man vor ihm an der Reihe ist (Tell vor der Aktion), spricht dies für
Schwäche, tut er dies, nachdem er schon an der Reihe war (Tell nach der
Aktion), spricht es für Stärke.
Von Caros Book of Poker Tells, das Elwood ausdrücklich zur Lektüre
empfiehlt, unterscheidet sich Elwoods Ansatz in einem weiteren wichtigen Punkt.
Die Distinktion „Tells von Schauspielern“ und „Unbewusste Tells“, die bei Caro
grundlegend ist, hält Elwood für verfehlt. Aus seiner Sicht lassen sich viele
Tells schlicht nicht eindeutig in einer der beiden Kategorien unterbringen,
sondern hängen von der jeweiligen Person ab.
Diese Beispiele zeigen, wie viele Gedanken sich Elwood zum Thema und dessen
Strukturierung gemacht hat.
Als Folge bietet dieses Buch auf gut 190 Seiten eine komprimierte Übersicht
über fast alle (körper)sprachlichen Signale, mit denen am Pokertisch etwas
verraten wird, und dient auch ausgezeichnet als Nachschlagewerk. Sehr oft
rekurriert Elwood im Text auf Caro, dennoch kann das Buch aber höchst
profitabel ohne Vorkenntnis des Altmeisters gelesen werden.
Den hochinteressanten Abschluss des Buches bildet das Kapitel „Täuschung und
Manipulation“, in dem – nach vorheriger ethischer Warnung – Tricks erklärt
werden, wie man seine Gegner am Tisch zu seinen Gunsten beeinflussen kann. Das
ist schon allein als defensive Maßnahme lesenswert, um zu wissen, worauf man
sich bei seinen Gegnern einstellen muss, die aktive Anwendung ist natürlich
jedem selbst überlassen.
Dieses Kapitel rundet ein Buch ab, das man getrost als Pflichtlektüre für
jeden Live-Pokerspieler bezeichnen kann. Geradezu lexikalisch hat Elwood
sämtliche Tells erfasst und mit seinem System zur Unterscheidung übersichtlich
und ausführlich behandelt. Insofern ist das Studium dieser Neuerscheinung auf
jeden Fall auch bares Geld wert.